Fast 60 Millionen Wähler in Deutschland gehen am Sonntag zu den Urnen, um einen neuen Bundestag zu wählen, wobei die konservativen Christdemokraten von Friedrich Merz (CDU/CSU) die größte Wählergruppe bilden.
Die Wiederbelebung der größten Volkswirtschaft Europas und die Verschärfung der Einwanderungskontrollen sind die beiden Hauptthemen im Vorfeld der Abstimmung, die eigentlich erst im Laufe des Jahres stattfinden sollte, aber nach dem Bruch der von Bundeskanzler Olaf Scholz geführten Drei-Parteien-Koalition im vergangenen November vorgezogen wurde.
Das deutsche Wahlsystem ist jedoch bekanntermaßen komplex, und viele finden es schwierig, die Ergebnisse der Wahlnacht zu verarbeiten.
In diesem Jahr tritt erstmals auch das neu reformierte Wahlrecht in Kraft, das den übergroßen Bundestag schrumpfen lassen soll und subtile, aber potenziell wichtige Änderungen bei der Sitzverteilung im Parlament bringt.
Wie funktioniert die Abstimmung?
Die Wahlen zum Bundestag finden alle vier Jahre statt.
An den Wahlen können Personen ab 18 Jahren teilnehmen. Die Wahllokale öffnen zwischen 8.00 und 18.00 Uhr Ortszeit, wobei sich viele Wähler dafür entscheiden, ihre Stimme vor dem Wahltag per Post abzugeben.
Die Wählerinnen und Wähler wählen ihren Bundeskanzler nicht direkt, aber das Ergebnis der Wahl entscheidet letztlich darüber, wer regiert und wer das Amt erhält. Auch die Parteien schlagen vor der Wahl Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers vor.
Auf jedem Stimmzettel sind zwei Stimmen zu vergeben.
Die erste Stimme oder "Erststimme" steht für einen Kandidaten, der in einem Wahlkreis oder Wahlbezirk kandidiert - davon gibt es 299 in ganz Deutschland. Der Kandidat, der in einem bestimmten Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, gewinnt nach dem Mehrheitswahlrecht einen der 630 Sitze im Parlament.
Die zweite Stimme oder "Zweitstimme" ist für eine politische Partei bestimmt, die sich in einem Bundesland zur Wahl stellt. Diese Stimme gilt als die wichtigste Stimme, da sie darüber entscheidet, wie die Sitze im Bundestag nach dem Verhältniswahlrecht auf die Parteien verteilt werden.
Was ist die 5%-Klausel?
Allerdings gibt es einen Haken: Die Partei kann nur dann im Bundestag vertreten sein, wenn sie bei der zweiten nationalen Wahl 5 %-Stimmen erhält oder bei der ersten Wahl drei direkt gewählte Kandidaten aufstellt.
Im Jahr 2021 schaffte die Linkspartei knapp den Einzug in den Bundestag, obwohl sie die 5%-Hürde nicht erreichte, aber drei direkt gewählte Kandidaten in den Wahlkreisen aufstellen konnte.
Artikel 5 % soll die politische Zersplitterung und den Stillstand der Gesetzgebung verhindern.
In diesem Jahr bewegen sich drei Parteien in der Nähe der 5%-Schwelle - die wirtschaftsfreundlichen Freien Demokraten (FDP), die Linkspartei und die Union von Sahra Wagenknecht (BSW). Ob sie diese Schwelle erreichen, könnte sich entscheidend auf die Sitzverteilung auswirken und die Bemühungen zur Bildung einer Mehrheitskoalition beeinflussen.
Sollten die drei Parteien die 5%-Schwelle nicht erreichen, könnte die Wahrscheinlichkeit einer Zweiparteienkoalition steigen.
Was sind die so genannten "überhängenden Stühle" und warum werden sie abgeschafft?
In der Vergangenheit wurden zusätzliche Sitze im Bundestag, so genannte Überhangmandate, geschaffen, wenn eine Partei mehr direkt gewählte Kandidaten gewann, als sie Sitze in der Stichwahl erhielt. Diese zusätzlichen Sitze sollen diese Abgeordneten aufnehmen und die Verteilung der Sitze im Parlament "ausgleichen".
Das so genannte "Überhangmandat" ist einer der umstrittensten Aspekte des deutschen Wahlsystems.
Das bedeutet, dass der Bundestag in den letzten Jahren gewachsen ist und nach der Wahl im Jahr 2021 die Rekordzahl von 735 Sitzen erreichen wird.
Es bedeutete auch, dass frühere Koalitionen eine viel komfortablere Mehrheit hatten, als wenn es das Überhangmandat nicht gegeben hätte. Dies war 2002 der Fall, als die rot-grüne Koalition unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder von dem Polster des Überhangmandats profitierte.
Bei dieser Wahl wird zum ersten Mal ein neues Wahlgesetz in Kraft treten, das das Überhangmandat beseitigt.
Dadurch wird die Zahl der Sitze im Bundestag auf 630 begrenzt, und es bedeutet auch, dass einige Wahlkreisgewinner ihre Sitze verlieren könnten, wenn ihre Partei nicht genügend Stimmen erhält.
Wie wird die Regierung gebildet?
Nach der Zuteilung der Mandate beginnen die Parteigruppen mit den Verhandlungen zur Bildung einer Mehrheitskoalition. Dieser Prozess kann Wochen, wenn nicht Monate dauern.
Koalitionskonstellationen werden oft nach den Farben ihrer Parteien benannt.
Diesmal wurden die so genannte große Koalition zwischen der Mitte-Rechts-CDU/CSU und der Mitte-Links-SPD, die "kenianische Koalition" (CDU, SPD, Grüne) und die "deutsche Koalition" (CDU, SPD, FDP) als möglich genannt.
Wie wird der Bundeskanzler gewählt?
Der Kanzlerkandidat wird vom Bundespräsidenten, derzeit Frank-Walter Steinmeier, in der Regel im Einvernehmen mit den Koalitionsparteien vorgeschlagen.
Letztlich entscheidet aber der Bundestag, wer Chef der Bundesregierung wird, denn der Kanzlerkandidat muss vor seinem Amtsantritt die Stimmen der Mehrheit des Bundestages erhalten.
Erhält der Kandidat im ersten Wahlgang keine Mehrheit, findet ein zweiter Wahlgang statt. Wenn er oder sie nicht erfolgreich ist, hat der Bundestag 14 Tage Zeit, einen anderen Kanzlerkandidaten zu wählen.
Verfolgen Sie die Wahlen in Deutschland live auf Euronews am Sonntag, den 23. Februar um 17.30 Uhr MEZ.
euronews/ gnews.cz - RoZ
ILLUSTRATIVES FOTO - Xinhua