BERLIN - Verunsicherung und Frustration über die Politik der sozialdemokratischen Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz sind in Verzweiflung umgeschlagen und haben Parteien sowohl am rechten als auch am linken Rand des Spektrums begünstigt. So bewertet Die Welt das Debakel der Regierungsparteien bei der Europawahl, bei der im Gegenteil die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) und die Sahra Wagenknecht Allianz (BSW), eine Splittergruppe der postkommunistischen Linken, erfolgreich waren. Der Erfolg der oppositionellen konservativen Union CDU/CSU, der ein klarer Sieg vorausgesagt wurde, werde von den Populisten überschattet, so Die Welt. Das Magazin Focus bezeichnete das Scheitern der Koalitionsparteien, die hinter der AfD landeten, als Ohrfeige für die Regierung, und die Bild-Zeitung schlug vorgezogene Neuwahlen vor.
"Ist das Ergebnis der Europawahl in Deutschland, bei der es nicht um Europa ging, irgendwie überraschend?" fragte Die Welt nach der Abstimmung, die von innerdeutschen Themen dominiert wurde. Die Zeitung antwortete, es sei die Klarheit einiger Ergebnisse gewesen, mit denen die Wähler der Regierung Scholz deutlich zu verstehen gegeben hätten, dass es so nicht weitergehen könne.
Laut Die Welt haben die Skandale vor der Wahl und die Tatsache, dass viele der Parteiführer radikale und oft verfassungswidrige Positionen vertreten, der AfD nicht geschadet. Der Zugewinn von Wagenknecht, deren Partei die Zeitung als populistischen Mischmasch bezeichnet, zeige auch, dass die Wähler in die Extreme des politischen Spektrums flüchten. "Zu Parteien, deren Positionen kaum mit einer stabilen demokratischen Mentalität vereinbar sind", schrieb Die Welt. Sie stellte fest, dass diese Parteien auf Unsicherheit und Frustration über die Regierungspolitik setzen, die sich zu Verzweiflung ausgewachsen haben.
Auch das Magazin Focus äußert sich kritisch und bezeichnet den dritten Platz der SPD als Niederlage für die Kanzlerin. "Kaum etwas zeigt die Niederlage der Kanzlerpartei so deutlich wie die Tatsache, dass die älteste Partei Deutschlands in der Bundesrepublik weniger Menschen überzeugen konnte als die Rechtsextremen. Die AfD liegt vor der SPD, und das ist trotz aller Skandale, in die die Rechtsradikalen und ihr Führungsduo verwickelt sind, eigentlich ein Grund für die SPD, in Ungnade zu fallen", sagte Focus. Er erwähnte damit die Affären des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und der Nummer zwei Peter Bystron. Laut Focus stellt sich nun die Frage, wie lange Scholz noch auf die Unterstützung seiner Partei zählen kann.
CTK/gnews.cz-JaV_07