NÁRODNÍ DIVADLO - Ein hektischer, aber schöner Septembermorgen. 8.52 Uhr, Bahnhof, Bahnsteig, in zwei Minuten ertönt das Abfahrtssignal. Ein Mann denkt über einen Streit mit seiner Frau nach, ein junges Paar diskutiert über den Aufbau einer romantischen Komödie, ein verkatert wirkender Polizist schaut aus dem Fenster auf eine Frau, die vergeblich hinter einem herrasenden Zug herläuft...
Jeder von ihnen reist mit seiner eigenen Geschichte, jeder von ihnen reist mit seinem eigenen Traum, jeder von ihnen reist mit seinen eigenen Sorgen. Und jeder hat sein eigenes Lied im Kopf. Das ganze Treiben im Zug wird vom Fenster aus von einem Mann beobachtet, der Blumen gießt, und durch das Fenster des Cafés von Sally, der Kellnerin, die ihr Lieblingslied "Bette Davis Eyes" aus dem Radio mitsummt. Und dann bleibt die Welt stehen. Es ist 8.55 Uhr und Sallys Kaffeetasse fällt aus der Hand. Der Zug explodiert direkt vor ihren Augen...
Wie kann man das Unbeschreibliche beschreiben? Und wie kann man die Minuten davor beschreiben? Roland Schimmelpfennig bleibt seiner typischen Poetik treu, dem postdramatischen Aufbau des Textes, dem Refrain und der variablen Besetzung der Figuren. Minute für Minute führt er uns durch die Geschichte zurück und enthüllt die Gedanken, Wünsche, Leidenschaften und Träume aller ahnungslosen Menschen, Schicksale, die in einem Moment der Explosion zusammenfließen und wieder verschwinden. Er mag den Terroranschlag von Madrid 2004 als Inspiration anführen, aber die plötzliche Apokalypse, die im Wurmloch der Zeit irgendwie umkehrbar ist, ist eigentlich Teil aller seiner jüngsten Dramen. Durch die Tragödie an der Prager Philosophischen Fakultät im Dezember hat dieses Stück leider auch für uns eine grausame Aktualität erhalten.
Doch er hat eine starke Hoffnung und eine Herausforderung, nicht aufzugeben. Alles hätte anders kommen können, wenn Sally und der Mann mit der Sporttasche sich getroffen hätten. Und mit ein bisschen Glück kann man die Zeit anhalten. Oder zumindest eine fallende Tasse auffangen.
Fotograf der Produktion: Martin Špelda
WARNUNG: Bei der Aufführung werden Tabakwaren, Stroboskoplicht und spezielle Geräusche verwendet, die für empfindliche Zuschauer und Zuschauer mit kompensierenden Hörgeräten unangenehm sein könnten.

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